MICHAELA ŠPAČKOVÁ
BIO
“..die Solistin zeigte eine beeindruckende Klangkultur und ließ das Fagott mit einer Singfähigkeit
erklingen, die regelrecht unter die Haut ging.” Bad Homburger Woche

Michaela Špačková ist eine dynamische und visionäre Fagottistin, die die Welten der klassischen und neuen Musik miteinander verbindet. Mit 17 Jahren gab sie ihr Solodebüt mit der Prague Philharmonia, gefolgt von Auftritten mit führenden Orchestern wie dem ORF Wien, dem Münchener Kammerorchester und der Tschechischen Philharmonie und über 20 Preise bei renommierten Wettbewerben gewonnen hat, darunter beim ARD-Musikwettbewerb und beim Prager Frühling. Michaela trat auf einigen der berühmtesten Bühnen der Welt auf, darunter die Berliner Philharmonie, die Philharmonie de Paris sowie Recitals im Konzerthaus Berlin und in Tokios Suntory Hall, wo sie mit Radek Baborák musizierte.
Ihre Tätigkeit als Solofagottistin führte sie zum Konzerthausorchester Berlin unter Christoph Eschenbach sowie zur Akademie der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim. Michaela arbeitet regelmäßig mit renommierten Ensembles wie der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, dem HR-Sinfonieorchester und dem Ensemble Resonanz zusammen und musizierte unter Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Paavo Järvi, Zubin Mehta und Jakub Hrůša.
Michaela verbindet in ihrem künstlerischen Ansatz Tradition mit Innovation und setzt sich intensiv für neue Musik ein. Sie spielte die Uraufführung von Matthieu Stefanellis Gaïa ou le Cri de la Terre, das auf ARTE beim Festival Nouveaux Horizons von Renaud Capuçon präsentiert wurde. Ihr Repertoire reicht von klassischen Fagottkonzerten bis hin zu genreübergreifenden Projekten mit Künstlern wie Alli Neumann. Michaela ist zudem eine engagierte Pädagogin und unterrichtet an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und gibt regelmäßig Meisterkurse in ganz Europa und Japan. Sie absolvierte ihre musikalische Ausbildung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin bei Prof. Volker Tessmann sowie am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse de Paris.
In der Saison 2024/2025 wird Michaela unter anderem mit dem Konzerthausorchester Berlin und dem Bayerischen Kammerorchester auftreten. Sie wird ihr Debütalbum bei Supraphon aufnehmen, das zwei neu in Auftrag gegebene Werke enthalten wird, und im Herbst ein Werk von Nikol Bóková für Fagott und Streichquartett uraufführen. Zudem kuratiert sie ihre neuen Konzertprojekte Smyth & The Voice She Found, die im Kühlhaus Berlin Premiere feiern werden.
PORTRÄT
Die geborene Fagottistin: Michaela Špačková
Ein Porträt von Tom R. Schulz

Es gibt Kinder, für die singen die Engel der Musik schon an der Wiege. Bei den meisten anderen sind Begabung und Neigung für die Musik eine Option, die sich ziehen lässt oder auch nicht, je nach den Lebensumständen. Und dann gibt es manchmal Kinder, zu denen beißt die Musik sich durch wie eine zähe Blume durch Beton, gegen Widerstände und ohne Rücksicht auch auf mögliche Empfindlichkeiten. So war es bei der Fagottistin Michaela Špačková (sprich: Schpatzkowa).
Ich war schockiert, wie heftig mich die Musik mit elf, zwölf Jahren erwischt hat«, erinnert sie sich. Das war bei einem Konzert im Rudolfinum, dem klassischen Konzertsaal in ihrer Geburtsstadt Prag. Die Großmutter hatte gerade angefangen, ihr Enkelkind manchmal zum Musikhören dorthin mitzunehmen. Schon von klein auf hatte Michaela Geige spielen wollen, auch Klavier, aber von Haus aus sollte es nur die Blockflöte im Schulunterricht sein. Niemand aus der Familie machte Musik. Eine Lehrerin aber hörte in Michaela, die ihre Tage am liebsten malend verbrachte, das musikalische Talent. Sie wirkte darauf hin, dass das Mädchen nach der Grundschulzeit an ein Musikgymnasium kam.
Dort standen für sie drei Instrumente zur Auswahl: Oboe, Horn und Fagott. »Das Fagott sah cool aus, der Lehrer war auch cool, ich hatte ihn im Rudolfinum spielen sehen«, sagt Michaela Špačková. Also entschied sie sich für das Fagott. Weshalb sie auch nach den Unterrichtsstunden noch Zeit mit dem hübschen Fagott verbringen sollte, verstand Michaela nicht. »Ich habe nie geübt, und nach einem halben Jahr drohte der Lehrer, mich rauszuschmeißen«, erzählt sie. »Da habe ich dann halt angefangen zu üben, und es hat sofort super Spaß gemacht.«
Von hier aus könnte die Geschichte glatt und geschmeidig weitergehen. Kind und Instrument haben sich gefunden, die Eltern freuen sich, das Talent reift, der Ehrgeiz blüht. Erste Wettbewerbe, Schul- und Jugendorchester, zwischendurch gern eine kleine Krise, die das Mädchen aber heil übersteht. Nach der Schule Musikstudium, anschließend Orchester bis zur Pensionierung. Auch Michaela wusste schon mit 15, dass nichts sie mehr berührte und sie nichts Dringenderes zu tun haben wollte, als auf diesem geheimnisvollen, kastanienbraun glänzenden Holzrohr mit den drei breiten Metallringen, den vielen Klappen und dem wie ein Schwanenhals geformten S-Bogen zum Hineinblasen Musik zu machen. Aber glatt und eben ging es nicht auf ihrem Weg. »Das Fagott war für mich ein sicherer Ort, ein Rückzugsraum, in dem ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte«, sagt Michaela. »Auch ein Ort für Heilung.« Ihr Musikgymnasium war eine gute Schule, das Zuhause kein allzu gastlicher Ort. Dass das Kind sich ins Fagott vernarrt hatte und nun auch noch Musikerin werden wollte, stieß bei der Mutter auf Unverständnis, auf Ablehnung, auf Widerstand. »Ich habe viel Party gemacht damals, und trotzdem viel Musik gespielt«, sagt Michaela.
Mit Anfang 20 kehrt sie ihrer Geburtsstadt Prag den Rücken und geht nach Berlin, mit ihrem Freund. Kaum sind sie dort, gehen sie schon auseinander. Michaela Špačková bleibt allein in der Stadt, beginnt an der Musikhochschule Hanns Eisler bei Volker Tessmann Fagott zu studieren und nimmt dafür ziemlich prekäre Lebensverhältnisse inkauf. Ein eigenes Instrument hat sie nicht, die Miet-Fagotte, auf denen sie spielt, sind von allenfalls mittelmäßiger Qualität. Selbstzweifel kommen auf, Krisen, Unsicherheit im Hinblick auf ihren Lebensweg. »Aber gespielt habe ich trotzdem immer.« Dank eines Erasmus-Stipendiums gönnt sie sich 2018/19 ein finanziell halbwegs auskömmliches Halbjahr in Paris, wo sie wie eine Gestörte von früh bis spät übt, übt, übt. Sie hat nahezu keine Kontakte, aber sie genießt den lyrischeren Zugang der französischen Fagott-Schule, das Leichte, Luftige. Ihr Spiel wird dabei zwangsläufig besser, persönlicher.
Alles läuft auf eine Orchesterstelle zu, aber wenn es ans Probespielen geht, werden die Nerven dünn, und auch die Mietinstrumente stoßen im Hinblick auf Volumen und Ton regelmäßig an Grenzen, die sich mit noch so viel Technik und spielerischer Präzision nicht überspielen lassen. Wäre das Fagott nicht genau ihr Instrument und die klassische Musik ihr Refugium: Mehr als einmal würde Michaela Špačková das Bündel Holz mit dem etwas näselnden Klang, das in zahllosen Orchesterstellen zum ratternden Dauer-Staccato verdonnert ist und doch in vielen Stücken zum Lead-Instrument aufläuft – man denke nur an den »Zauberlehrling« von Paul Dukas oder das »Frühlingsopfer« von Igor Strawinsky –, aufgeben und vergessen.
Sieht man Michaela Špačková heute in einem ihrer feinen, fließenden Konzertgewänder vor einem Orchester oder mit einem Ensemble musizieren, bilden sie und ihr Instrument eine geradezu symbiotische Einheit. Zwei hoch aufgeschossene, schmale Gestalten, aus Holz die eine, aus Fleisch und Blut die andere. Gibt es so etwas: Eine geborene Fagottistin?
Die Coronazeit übersteht Michaela Špačková mit musikfernen Jobs – und muss sich parallel dazu doch fit halten, spieltechnisch und körperlich. Mehr und mehr bildet sich eine Vision in ihr, wie sie auf dem Fagott das ausdrücken kann, was in ihr ist und was noch kommen wird mit der Zeit. »Ich höre einen Klang, den es noch nicht gibt«, sagt Michaela Špačková. Das ist ein ziemlich großer Satz. Aber er passt zu ihrem Bestreben, als Solistin auf der Bühne zu stehen und für sich, die Musik und ihr Publikum Leidenschaft und Klangvielfalt aus dem sperrigen Instrument herauszuholen, dem sie ihr Leben verschrieben hat. Sie kann auch improvisieren und spielt in der Band der angesagten Pop-Sängerin Alli Neumann. Doch die Klassik liebt sie mehr als alles andere.
Im März 2025 will Michaela Špačková ihr Konzertexamen ablegen, begleitet vom Konzerthausorchester Berlin. Eines der Stücke soll »The Five Sacred Trees« von John Williams sein, eine Originalkomposition für Fagott und Orchester. Williams, weltberühmt für seine Filmmusik, hat zuletzt ein Violinkonzert für Anne-Sophie Mutter geschrieben. Fragt man Michaela Špačková nach anderen zeitgenössischen Komponistinnen und Komponisten, die sie bewundert und deren Musik sie gern spielen würde, dann sprudelt es aus dieser zumindest vordergründig so sanguinisch anmutenden Person nur so heraus: Jörg Widmann, Lera Auerbach, Andrej Adamek, Gabriela Smith, Anders Hillborg, Caroline Shaw. Das Stück des jungen südfranzösischen Komponisten Matthieu Stefanelli »Gaïa ou le Cri de la Terre« für Fagott, Streichsextett und Klavier hat sie vor zwei Jahren beim Festival Nouveaux Horizons in Aix-en-Provence uraufgeführt. Die Aufnahme des ARTE-Mitschnitts davon ist auf YouTube zu sehen. Das Stück fordert die Virtuosin, es feiert die Expressivität, durchmisst den ganzen Tonumfang des Instruments und ist eine hingebungsvolle Mahnung daran, den für uns lebensgefährlich lautlosen Schrei von Gaia, der Erdmutter, angesichts all des Unheils, das wir über sie bringen, nicht länger zu überhören. Das Werk passt Michaela Špačková auch von der Message her wie angegossen.
»Das Fagott ist meine Stimme, mein Körper.« Noch so ein Satz von ihr, der nachhallt. Michaela Špačková ist Berlin eigentlich zu groß, zu laut, zu voll. Sie ist tief mit der Natur verbunden und braucht den Geruch des Waldes, das Holz, Bäume, Stille. Wenn sie spielt, dann gebietet sie über das Fagott, dieses glänzende, störrische Stück Holz, wie ein energisch zupackender Waldgeist, der es sich mit seinem Atemstrom gefügig macht, es zum Klingen bringt und mit größter Intensität zu blühendem Leben erweckt. Und mit ihm all die anderen Wälder und alle fühlenden Wesen der Erde.